Bewerbungsprozesse leben vom Vertrauen – sowohl auf Seiten der Bewerber als auch der Arbeitgeber. Trotzdem stellt sich in der Praxis häufig die Frage: Darf ein potenzieller neuer Arbeitgeber einfach beim alten Chef anrufen und sich über einen Bewerber erkundigen? Für Bewerber kann eine solche Rückfrage empfindliche Folgen haben, insbesondere wenn der aktuelle Arbeitgeber von der Bewerbungsabsicht erfährt. Auch Arbeitgeber haben natürlich ein Interesse daran, möglichst viel über einen Bewerber zu erfahren, um eine fundierte Einstellungsentscheidung zu treffen. Dieser Beitrag beleuchtet, was in Deutschland in Sachen Referenzeinholung erlaubt ist, und welche datenschutzrechtlichen Grenzen gelten.
Inhaltsverzeichnis
- Darf der neue Arbeitgeber beim alten Chef anrufen?
- Diskretion im Bewerbungsprozess – wann darf über einen Bewerber gesprochen werden?
- Welche datenschutzrechtlichen Vorgaben gelten im Bewerbungsverfahren?
- Dürfen Personaler beim alten Arbeitgeber eines Bewerbers anrufen?
- Einwilligung des Bewerbers: Stolperfallen bei der Nachfrage beim ehemaligen Arbeitgeber
- Welche Fragen darf der neue Arbeitgeber dem alten Arbeitgeber über einen Bewerber stellen?
- Berechtigtes Interesse: Darf der neue Arbeitgeber den alten Arbeitgeber kontaktieren?
- Verdacht der rechtswidrigen Kontaktaufnahme des neuen mit dem ehemaligen Arbeitgeber: Was tun?
- Fazit:
- Häufige Fragen zum Thema Arbeitgeberauskunft im Bewerbungsverfahren
Darf der neue Arbeitgeber beim alten Chef anrufen?
Diese Frage stellen sich viele Bewerber – und auch mancher Arbeitgeber. Ein typisches Szenario aus der Bewerbungspraxis: Ein Bewerber befindet sich noch in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis und bewirbt sich vertraulich auf eine neue Stelle. Der potenzielle neue Arbeitgeber möchte mehr über ihn erfahren als aus Zeugnis und Lebenslauf hervorgeht und überlegt, kurzerhand den bisherigen Vorgesetzten anzurufen. Ist das erlaubt? In der Regel nein – ein neuer Arbeitgeber darf den alten Arbeitgeber nicht ohne Einwilligung des Bewerbers anrufen.
Ein Anruf beim früheren Chef kann für Bewerber erhebliche Folgen haben: Wird der aktuelle Arbeitgeber von der Wechselabsicht erfahren, drohen Konflikte oder sogar die Kündigung. Gleichzeitig möchten Unternehmen verständlicherweise möglichst viele Informationen für eine sichere Einstellungsentscheidung einholen.
Diskretion im Bewerbungsprozess – wann darf über einen Bewerber gesprochen werden?
Bewerber dürfen erwarten, dass ihre Bewerbung diskret behandelt wird – insbesondere, wenn sie sich aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis heraus bewerben. Ein neuer Arbeitgeber darf nicht ohne Zustimmung beim aktuellen oder ehemaligen Arbeitgeber anrufen – das wäre ein Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht. Das Geheimhaltungsinteresse des Bewerbers wiegt in der Regel schwerer als das Informationsinteresse des neuen Arbeitgebers. Dennoch besteht auf Seiten der neuen Arbeitgeber oft ein Bedürfnis nach Auskunft beim früheren Arbeitgeber. Warum?
Typische Gründe für eine Kontaktaufnahme des neuen Arbeitgebers mit dem ehemaligen Arbeitgeber sind:
- Unklare Formulierungen oder unterdurchschnittliche Bewertungen im Arbeitszeugnis
- Auffälligkeiten oder Lücken im Lebenslauf
- Abweichende Aussagen im Vorstellungsgespräch im Vergleich zu Unterlagen
- Einschätzung der tatsächlichen Leistung und Einsatzgebiete
- Beurteilung von Teamverhalten und Führungsqualität
- Fragen zu krankheitsbedingten Ausfallzeiten (nur zulässig, wenn relevant und rechtlich erlaubt)
- Klärung der Umstände der Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Für Bewerber hingegen steht viel auf dem Spiel: Sie fürchten um ihre Reputation und die aktuelle Position, falls Dritte von der Bewerbung erfahren. Insbesondere die ungewollte Offenlegung gegenüber dem aktuellen Arbeitgeber kann gravierende Nachteile bis hin zur Kündigung nach sich ziehen. Entsprechend gilt: Über Bewerber darf nur unter sehr engen Voraussetzungen gesprochen werden – nämlich dann, wenn der Bewerber zugestimmt hat oder eine gesetzliche Erlaubnis greift. Das Bedürfnis der neuen Firma nach Informationen muss stets sorgfältig gegen das Geheimhaltungsinteresse und die Persönlichkeitsrechte des Bewerbers abgewogen werden
Welche datenschutzrechtlichen Vorgaben gelten im Bewerbungsverfahren?
Sobald im Bewerbungsprozess Informationen über eine identifizierbare Person ausgetauscht werden, greift das Datenschutzrecht.
Die wichtigsten Rechtsgrundlagen sind:
- EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)
- Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)
Dazu zählen alle personenbezogenen Daten – also nicht nur Name und Kontaktdaten, sondern auch:
- Berufliche Leistungen (z. B. Arbeitsergebnisse, Projekterfolge, Produktivität)
- Erfahrungen (z. B. Tätigkeitsbereiche, Branchenkenntnisse, Fortbildungen)
- Verhalten im Job (z. B. Teamfähigkeit, Führungsverhalten, Konfliktverhalten)
- Einsatzbereiche und Verantwortlichkeiten
- Qualifikationen und Abschlüsse
- Beurteilungen durch Vorgesetzte oder Kollegen
- Informationen zu Fehlzeiten
Grundsatz: „Verbot mit Erlaubnisvorbehalt“
Nach DSGVO ist die Verarbeitung personenbezogener Daten grundsätzlich verboten,
es sei denn, es gibt eine Rechtsgrundlage:
- gesetzliche Erlaubnis, oder
- Einwilligung der betroffenen Person.
Praxisbedeutung: Ohne gültige Rechtsgrundlage dürfen keine Informationen über einen Bewerber von Dritten eingeholt oder weitergegeben werden.
Spezialregelung im BDSG – § 26 BDSG
Für den Beschäftigungskontext (inklusive Bewerber) gilt § 26 BDSG:
- Arbeitgeber dürfen personenbezogene Daten verarbeiten, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist.
- Das umfasst z. B. die Prüfung von Bewerbungsunterlagen oder das Führen von Vorstellungsgesprächen.
- Auch Bewerber und ausgeschiedene Mitarbeiter gelten hier als „Beschäftigte“ (§ 26 Abs. 8 S. 2 BDSG).
Mögliche Rechtsgrundlagen im Bewerbungsverfahren
- Einwilligung des Bewerbers
(Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO, § 26 Abs. 2 BDSG) - Berechtigtes Interesse des Arbeitgebers
(Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO) – oft problematisch wegen Abwägung - Vertragserfüllung bzw. vorvertragliche Maßnahmen
(Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO)
Dürfen Personaler beim alten Arbeitgeber eines Bewerbers anrufen?
Auch ein scheinbar harmloses Telefonat zur „Referenzeinholung“ fällt unter das Datenschutzrecht. Jede Auskunft – etwa zur Arbeitsleistung, Teamfähigkeit oder Zuverlässigkeit – ist eine personenbezogene Information und damit vom Schutzbereich der DSGVO erfasst.
Das gilt nicht nur für elektronische oder schriftliche Daten, sondern auch für rein mündliche Auskünfte. Grund ist eine deutsche Besonderheit: § 26 Abs. 7 BDSG dehnt den Beschäftigtendatenschutz ausdrücklich auch auf nicht automatisierte Verfahren aus, selbst wenn die Daten nicht gespeichert werden. Bewerber und ehemalige Arbeitnehmer zählen dabei ebenso zu den „Beschäftigten“ wie aktuelle Angestellte.
Fazit: Ein Personaler darf nicht einfach ohne Rechtsgrundlage den früheren Chef anrufen.
Einwilligung des Bewerbers: Stolperfallen bei der Nachfrage beim ehemaligen Arbeitgeber
Eine scheinbar einfache Lösung könnte sein: Der Bewerber willigt ein, dass der neue Arbeitgeber sich beim alten erkundigt. Tatsächlich wird in der Praxis manchmal eine Einwilligungserklärung vom Bewerber eingeholt – etwa durch eine Klausel im Bewerbungsformular wie
I „Ich bin damit einverstanden, dass Sie Referenzen bei meinen ehemaligen Arbeitgebern einholen.“
Klingt unkompliziert- Ist es aber nicht. Die DSGVO knüpft eine wirksame Einwilligung an strenge Bedingungen. Sie muss freiwillig, informiert, für einen konkreten Zweck erteilt und jederzeit widerrufbar sein.
Voraussetzungen für eine wirksame Einwilligung (Art. 7 DSGVO):
Damit eine Einwilligung gültig ist, sind insbesondere folgende Bedingungen zu erfüllen:
- Informiertheit: Der Bewerber muss genau wissen, wozu er einwilligt. Der neue Arbeitgeber muss transparent machen, welche Auskünfte eingeholt werden sollen und zu welchem Zweck. Auch ist er verpflichtet, den Bewerber über sein Recht zum Widerruf der Einwilligung aufzuklären.
- Bestimmtheit und Form: Die Einwilligung muss für den konkreten Fall erteilt werden – pauschale Blanko-Einwilligungen sind unzulässig. Sie sollte schriftlich oder elektronisch festgehalten werden (gemäß § 26 Abs. 2 S. 3 BDSG im Beschäftigungskontext grundsätzlich Schriftform, soweit nicht besondere Umstände eine andere Form rechtfertigen). Die Erklärung muss klar und verständlich formuliert sein, getrennt von anderen Regelungen, damit der Bewerber wirklich erkennt, was er unterschreibt.
- Widerruflichkeit: Eine Einwilligung ist jederzeit widerrufbar. Der Bewerber darf also seine Zustimmung später zurückziehen, und die Datenverarbeitung muss dann künftig unterbleiben (Art. 7 Abs. 3 DSGVO). Der Arbeitgeber muss den Bewerber bereits bei Einholung der Einwilligung auf dieses jederzeitige Widerrufsrecht hinweisen.
- Freiwilligkeit: Der Bewerber muss die Wahl haben, Nein sagen zu dürfen, ohne dadurch einen Nachteil zu erleiden. Aufgrund des Abhängigkeitsverhältnisses im Arbeits- bzw. Bewerbungsverhältnis ist die Hürde für Freiwilligkeit sehr hoch. Beispiel: Wenn die Einwilligung faktisch Voraussetzung ist, um weiter im Bewerbungsverfahren zu bleiben, ist sie nicht wirklich freiwillig – der Bewerber steht unter Druck, sonst seine Chance auf die Stelle zu verlieren.
Gerade an der Freiwilligkeit scheitert es oft. Im Bewerbungsverfahren besteht ein Abhängigkeitsverhältnis – wer möchte schon riskieren, wegen einer verweigerten Einwilligung aus dem Rennen zu fliegen? Auch die Datenschutzaufsichtsbehörden sehen das kritisch.
Mit anderen Worten: Eine Einwilligung einzuholen, ist zwar theoretisch ein gangbarer Weg, aber in der Praxis sehr riskant. Selbst wenn der Bewerber unterschreibt, bleibt zweifelhaft, ob diese Einwilligung einem späteren Check standhält. Im Zweifel wird man annehmen müssen, dass der Bewerber unter einem gewissen Druck stand und die Einwilligung deshalb unwirksam ist. Arbeitgeber hierbei unbedingt ihren externen Datenschutzbeauftragten einbeziehen, um keine Risiken einzugehen: Nur weil man etwas unterschrieben hat, heißt das nicht automatisch, dass alles rechtmäßig ist.
Welche Fragen darf der neue Arbeitgeber dem alten Arbeitgeber über einen Bewerber stellen?
Selbst wenn eine Einwilligung des Bewerbers oder eine andere Rechtsgrundlage vorliegt, ist nicht jede Frage zulässig. Ein früherer Arbeitgeber hat kein allgemeines Auskunftsrecht oder gar eine Pflicht zur Auskunft. Maßstab sind die Grundsätze des Arbeitsrechts und des Datenschutzes – insbesondere eine Interessenabwägung.
Zulässig sind Fragen, die auch im Vorstellungsgespräch gestellt werden dürften und die sich auf die berufliche Eignung, Leistung und Führung des Bewerbers beziehen, zum Beispiel:
- Fachliche Qualifikationen und Kenntnisse
- Arbeitsleistungen und Verantwortungsbereiche
- Team- und Sozialverhalten
- Führungsverhalten bei bisherigen Leitungsaufgaben
Unzulässig sind dagegen Fragen, die
- in die Privatsphäre eingreifen (Familienplanung, Religion, politische Ansichten),
- besondere Kategorien personenbezogener Daten betreffen (Gesundheit, Vorstrafen – sofern nicht relevant – oder finanzielle Verhältnisse),
- Vertrauliches aus der Personalakte oder Vertragsdetails offenlegen,
- abwertende oder ehrenrührige Aussagen enthalten.
Auch bei zulässigen Fragen gilt: Der frühere Arbeitgeber muss wahrheitsgemäß und wohlwollend antworten ganz wie beim Arbeitszeugnis.
Berechtigtes Interesse: Darf der neue Arbeitgeber den alten Arbeitgeber kontaktieren?
Wenn keine Einwilligung vorliegt, versuchen manche Arbeitgeber, sich auf Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO zu berufen. Danach ist eine Datenverarbeitung zulässig, wenn das berechtigte Interesse des Unternehmens die schutzwürdigen Interessen des Bewerbers überwiegt.
Auf den ersten Blick klingt das plausibel:
- Arbeitgeber wollen die Qualifikation und Eignung eines Bewerbers möglichst genau einschätzen, um Fehlentscheidungen zu vermeiden.
- Dazu gehören auch Informationen über Leistung, Verhalten und Zuverlässigkeit aus früheren Jobs.
Dem steht jedoch das Geheimhaltungsinteresse des Bewerbers gegenüber:
- Die Bewerbung soll vertraulich bleiben – vor allem gegenüber dem aktuellen Arbeitgeber.
- Unkontrollierte Auskünfte früherer Chefs könnten die berufliche Reputation schädigen.
- Ein heimlicher Anruf greift tief in das Persönlichkeitsrecht ein und birgt erhebliche Risiken, etwa Vertrauensverlust oder Kündigung.
Abwägung: In den meisten Fällen überwiegt klar das Interesse des Bewerbers an Vertraulichkeit. Das sehen auch Datenschutzaufsichtsbehörden und Arbeitsgerichte so. Nur in seltenen Ausnahmefällen etwa bei nachweislich falschen Angaben des Bewerbers oder einer konkreten Gefahr für den Arbeitgeber könnte das berechtigte Interesse überwiegen. Das berechtigte Interesse ist kein Freifahrtschein für heimliche Referenzanrufe. Ohne klare Rechtsgrundlage oder Einwilligung ist das rechtlich riskant und meist unzulässig.
Verdacht der rechtswidrigen Kontaktaufnahme des neuen mit dem ehemaligen Arbeitgeber: Was tun?
Was können Bewerber tun, wenn sie vermuten, dass ein neuer potenzieller Arbeitgeber trotzdem unerlaubt bei dem alten Arbeitgeber Erkundigungen eingeholt hat? Die direkte Beweislage ist oft schwierig – aber es gibt einige datenschutzrechtliche Hebel, die man nutzen kann:
1. Auskunftsanspruch gegenüber dem neuen Arbeitgeber (Art. 15 DSGVO):
Jeder Bewerber hat das Recht, von einem Unternehmen Auskunft zu verlangen, welche personenbezogenen Daten dort über ihn gespeichert oder verarbeitet werden. Dieses Recht gilt auch im Bewerbungsverfahren. Man kann also beim potenziellen neuen Arbeitgeber anfragen: “Welche Daten über mich haben Sie verarbeitet, und woher stammen diese?” Der Arbeitgeber muss dann u.a. mitteilen, ob er Informationen von dritter Seite (z.B. vom alten Arbeitgeber) eingeholt hat. Er ist zudem verpflichtet, bereits bei der Erhebung von Daten bei Dritten den Bewerber über diese Verarbeitung zu informieren (Art. 14 DSGVO) – was erfahrungsgemäß in solchen Fällen oft unterlassen wird. Mit einer Art.15-Auskunftsanfrage kann der Bewerber also zumindest versuchen, den Beweis für eine unerlaubte Kontaktaufnahme zu erlangen.
2. Auskunftsanspruch gegenüber dem ehemaligen Arbeitgeber (Art. 15 DSGVO):
Auch dem früheren Arbeitgeber kann der (ehemalige) Arbeitnehmer ein Auskunftsersuchen schicken. Fragt man gezielt nach, ob eine Weitergabe von Informationen an den benannten neuen Arbeitgeber stattgefunden hat, muss der ehemalige Arbeitgeber wahrheitsgemäß Auskunft erteilen. Er ist verpflichtet, den genauen Inhalt der erteilten Auskunft offenzulegen, sofern eine solche erfolgt ist. Sollte also tatsächlich jemand ohne Einwilligung Informationen weitergegeben haben, müsste dies im Zuge der DSGVO-Auskunft herauskommen. Außerdem hätte der ehemalige Arbeitgeber damit gegen seine Informationspflichten verstoßen (denn er hätte den Mitarbeiter nach Art. 13 DSGVO über eine Auskunft informieren müssen).
3. Beschwerde bei der Datenschutz-Aufsichtsbehörde (Art. 77 DSGVO):
Wenn sich ein Verdacht erhärtet, können Betroffene sich an die zuständige Datenschutzbehörde wenden und eine Beschwerde einreichen. Die Behörde hat die Aufgabe, solchen Hinweisen nachzugehen. Sie besitzt theoretisch weitreichende Ermittlungsbefugnisse, um den Sachverhalt aufzuklären. In der Praxis sind die Behörden zwar oft personell knapp ausgestattet und überlastet, aber eine offizielle Beschwerde kann dennoch Druck ausüben. Im besten Fall führt sie dazu, dass der Arbeitgeber sein Verhalten ändert oder ein Verfahren eingeleitet wird. Für den Bewerber ist die Beschwerde kostenlos und risikolos. Wichtig: Man sollte möglichst konkrete Anhaltspunkte für den vermuteten Kontakt nennen können (z.B. auffällige Bemerkungen im Vorstellungsgespräch, die nur vom alten Arbeitgeber stammen können).
Neben diesen datenschutzrechtlichen Schritten besteht – bei ausreichenden Beweisen – auch die Möglichkeit, gerichtlich vorzugehen: In Betracht kommen etwa Unterlassungsansprüche oder Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts. Die Hürden dafür liegen allerdings höher, und ohne eindeutigen Nachweis ist das schwierig. Daher sind die Auskunftsrechte und die Behördenbeschwerde zunächst die Mittel der Wahl.
Fazit:
Bewerber sind ihren früheren Arbeitgebern und künftigen Chefs nicht schutzlos ausgeliefert. Das Datenschutzrecht gibt ihnen Instrumente an die Hand, um unzulässige Nachforschungen aufzudecken und zu ahnden. Jeder Schritt sollte aber gut überlegt sein – manchmal lässt sich ein Verdacht nicht bestätigen, und dann ist Diplomatie vielleicht der bessere Weg. Klar ist jedenfalls: Ein neuer Arbeitgeber darf sich nicht heimlich beim alten erkundigen, ohne das Einverständnis des Bewerbers. Beide Seiten – Arbeitgeber wie Bewerber – fahren am besten, wenn sie den Bewerbungsprozess datenschutzkonform diskret, transparent und fair gestalten. Datenschutz ist kein lästiges Hindernis, sondern soll genau diese Fairness sichern. In diesem Sinne: Viel Erfolg im Bewerbungsverfahren – in guter Vertrauensbasis für alle Beteiligten!
Häufige Fragen zum Thema Arbeitgeberauskunft im Bewerbungsverfahren
Ein Datenschutzbeauftragter ist erforderlich, wenn mehr als 20 Mitarbeiter regelmäßig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten betraut sind oder wenn besonders sensible Daten, wie Gesundheitsdaten oder Informationen zur ethnischen Herkunft, verarbeitet werden. Auch der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) im Recruiting-Prozess kann die Notwendigkeit eines Datenschutzbeauftragten begründen.
Recruiting bezeichnet eine Personalbeschaffung oder Personalvermittlung, umfasst alle Aktivitäten, die darauf abzielen, vakante Stellen zu besetzen. Mitumfasst sind Stellenanzeigen, Veröffentlichungen, Vorstellungsgespräche, Vertragsunterzeichnungen und Onboarding-Prozesse.
Active Sourcing bezeichnet eine aktive Personalbeschaffung, also Maßnahmen eines Unternehmens, um proaktiv potenzielle Bewerber:innen zu identifizieren. Erreicht werden sollen insbesondere auch Kandidat:innen, die nicht aktiv nach einem Job suchen.
Background-Checks/Pre-Employment-Checks sind auch bekannt als Bewerber Screening/Überprüfung von Kandidaten. Es handelt sich um Überprüfungen, die Arbeitgeber durchführen, um die Angaben und Hintergründe der Kandidaten vor der Einstellung zu verifizieren, bei Dritten oder über Internetrecherchen.
Das Weiterleiten von Bewerbungsunterlagen zwischen Kollegen per E-Mail kann potenziell zu Problemen führen. Insbesondere gestaltet sich die Löschung von intern weitergeleiteten E-Mails, die automatisch ins Mail-Archiv überführt werden, äußerst schwierig. Diese Herausforderungen bei der zeitnahen Löschung können zu erheblichen Datenschutzproblemen führen. In der Praxis ist es selten üblich, dass Unternehmen die zu löschenden E-Mails manuell aus dem Mail-Archiv suchen und entfernen. Dies kann für den potenziellen Arbeitgeber zu Drucksituationen führen, insbesondere wenn abgelehnte Bewerber (aus sachfremden Gründen) ihr Recht auf Auskunft (Art. 15 DSGVO) oder Löschung (Art. 17 DSGVO) geltend machen und weiterhin Daten ohne ausreichende Rechtsgrundlage gespeichert werden.
Das Recruiting in berufsorientierten Medien wie z. B. Xing oder LinkedIn kann zulässig sein, insbesondere wenn eine Person die Jobsuche aktiviert oder Jobwünsche oder Gehaltsvorstellungen in berufsorientierten Medien wie z. B. Xing oder LinkedIn hinterlegt.
In freizeitorientierten sozialen Medien (Facebook, Instagram, TikTok) dürfte das Interesse des Nutzers an der Geheimhaltung der Daten gegenüber Personalberatern und potenziellen Arbeitgebern überwiegen, mit der Folge, dass das Recruiting dort nicht zulässig ist.
Wenn ein Bewerber seine Einwilligung zur Speicherung seiner Daten widerruft, müssen die gespeicherten Daten unverzüglich gelöscht werden, es sei denn, es bestehen gesetzliche Aufbewahrungspflichten oder andere rechtliche Gründe für eine längere Speicherung.
Im Bewerbungsgespräch dürfen nur Fragen gestellt werden, die für die Beurteilung der Eignung des Bewerbers für die ausgeschriebene Position relevant sind. Fragen zu persönlichen oder privaten Themen wie Schwangerschaft, Gesundheit oder politischen Überzeugungen sind unzulässig, es sei denn, sie sind in Bezug auf die Tätigkeit unbedingt erforderlich.
Bewerber haben das Recht, Auskunft über die gespeicherten Daten zu verlangen, ihre Daten berichtigen oder löschen zu lassen und die Verarbeitung einzuschränken. Sie haben auch das Recht, der Verarbeitung ihrer Daten zu widersprechen und die Daten in einem strukturierten, gängigen Format zu erhalten (Datenübertragbarkeit).
In der Regel nicht. Ohne ausdrückliche Einwilligung der betroffenen Person oder eine gesetzliche Rechtsgrundlage ist eine Kontaktaufnahme unzulässig.
Zulässig sind nur berufsbezogene und sachliche Angaben, etwa Beschäftigungsdauer, Position oder Aufgabenbereich – und nur, wenn eine rechtliche Grundlage besteht. Private oder sensible Daten dürfen nicht weitergegeben werden.
Ja. Auch mündliche Auskünfte, beispielsweise per Telefon, unterliegen der DSGVO und dem BDSG, da dabei personenbezogene Daten verarbeitet werden.
Eine unrechtmäßige Anfrage kann einen Datenschutzverstoß darstellen und zu Auskunfts-, Beschwerde- oder Schadensersatzansprüchen der betroffenen Person führen.
Nach Art. 15 DSGVO kann sowohl beim potenziellen neuen als auch beim ehemaligen Arbeitgeber eine Auskunft über verarbeitete personenbezogene Daten verlangt werden.
Nur, wenn hierfür eine gesetzliche Erlaubnis besteht. Im Bewerbungsverfahren ist dies jedoch selten der Fall.
Ja. Eine Einwilligung kann jederzeit widerrufen werden. Ab dem Zeitpunkt des Widerrufs dürfen die entsprechenden Daten nicht mehr verarbeitet oder weitergegeben werden.
Datenschutzaufsichtsbehörden sehen dies kritisch. Aufgrund des Abhängigkeitsverhältnisses kann die Freiwilligkeit in vielen Fällen nicht gewährleistet werden.
Ein berechtigtes Interesse nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO liegt nur vor, wenn die Interessen des Arbeitgebers die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Person überwiegen. In der Praxis ist dies im Bewerbungsverfahren selten gegeben.
Ja, sofern es sich um bewusst öffentlich zugänglich gemachte, berufsbezogene Informationen handelt kann es auf Basis des berechtigten Interesses zulässig sein. Private Netzwerke wir Instagram oder Facebook sind hiervon ausgenommen.
Nur, wenn diese der Wahrheit entsprechen, berufsbezogen und relevant für die neue Stelle sind. Diffamierende oder private Aussagen sind unzulässig.
Nein. Es existiert keine allgemeine gesetzliche Verpflichtung, Auskünfte an potenzielle neue Arbeitgeber zu geben.
Es kann ein Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO bestehen. Zudem ist eine Beschwerde bei der zuständigen Datenschutzaufsichtsbehörde möglich.
Ja. Auch ein informelles Telefonat stellt eine Verarbeitung personenbezogener Daten dar, sofern Angaben über die betroffene Person ausgetauscht werden.
Die DSGVO definiert die Einwilligung als „jede freiwillig für den bestimmten Fall, in informierter Weise und unmissverständlich abgegebene Willensbekundung“, durch die der Betroffene signalisiert, dass er mit der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten einverstanden ist. Das bedeutet: Der Bewerber muss klar und aus freien Stücken zustimmen, dass z.B. sein früherer Arbeitgeber kontaktiert wird, nachdem er über alle wesentlichen Umstände informiert wurde.