Ab dem 28. Juni 2025 gilt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) – und mit ihm neue Pflichten für Unternehmen, die digitale Dienstleistungen anbieten. Viele Betreiber von Webseiten oder Online-Shops haben bereits erkannt, dass dies Auswirkungen auf das Design ihrer Angebote hat. Was jedoch häufig übersehen wird: Auch rechtlich verpflichtende Informationen wie Datenschutzerklärungen müssen künftig barrierefrei gestaltet sein. Barrierefreiheit und Datenschutz werden damit zu einer gemeinsamen Compliance-Herausforderung.
Was bedeutet das konkret? Welche Unternehmen sind betroffen? Und wie kann eine barrierefreie Datenschutzerklärung umgesetzt werden – inhaltlich, technisch und sprachlich? In diesem Artikel geben wir Ihnen einen umfassenden Überblick sowie praxisnahe Tipps zur Umsetzung einer barrierefreien Datenschutzerklärung.
Inhaltsverzeichnis
- Was regelt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz?
- Wer ist vom Barrierefreiheitsstärkungsgesetz betroffen?
- Warum betrifft das BFSG auch die Datenschutzerklärung?
- Was bedeutet „barrierefrei“ im rechtlichen Sinne?
- Barrierefreiheit konkret: Die „Four Principles of Accessibility“
- Normen und Standards
- So gestalten Sie Ihre Datenschutzerklärung barrierefrei
Was regelt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz?
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) setzt die europäische Richtlinie (EU) 2019/882 – den sogenannten European Accessibility Act – in deutsches Recht um. Ziel ist es, Menschen mit Behinderungen den gleichberechtigten Zugang zu digitalen Produkten und Dienstleistungen zu ermöglichen. Barrierefreiheit und Datenschutz spielen dabei eine zentrale Rolle.
Bisher galten entsprechende Pflichten vor allem für öffentliche Stellen. Künftig sind auch private Unternehmen verpflichtet, ihre digitalen Angebote barrierefrei zu gestalten – darunter fallen insbesondere Webseiten, mobile Anwendungen und digitale Schnittstellen, die Verbraucherdienstleistungen bereitstellen.
Wer ist vom Barrierefreiheitsstärkungsgesetz betroffen?
Der Anwendungsbereich des Gesetzes ist weit gefasst. Betroffen sind alle Unternehmen, die sogenannte Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr anbieten – also z. B.:
- Online-Shops und Plattformen
- Terminbuchungssysteme auf Websites
- Apps zur Dienstleistungsbuchung
- Kundenportale und Loginbereiche
- Informations- und Serviceangebote für Verbraucher
Auch Friseursalons, Ärzte, Beratungsunternehmen oder kleine Händler, die über ihre Website Dienstleistungen anbieten oder verkaufen, sind eingeschlossen – sofern sie nicht unter die Ausnahme für Kleinstunternehmen fallen.
Ausnahmen
Nicht anwendbar ist das BFSG auf Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten und einem Jahresumsatz oder einer Jahresbilanzsumme von maximal zwei Millionen Euro (§ 3 Abs. 3 BFSG). Ferner besteht keine Verpflichtung, wenn die Umsetzung eine unverhältnismäßige Belastung darstellt (§ 17 Abs. 1 BFSG).
Warum betrifft das BFSG auch die Datenschutzerklärung?
Viele Webseiten enthalten eine Datenschutzerklärung gemäß Art. 12 ff. DSGVO – ein verpflichtender Bestandteil zur Erfüllung der Informationspflichten gegenüber Nutzern. Diese Erklärung ist Bestandteil der digitalen Dienstleistung und muss daher ebenfalls den Anforderungen an Barrierefreiheit entsprechen.
Laut Anlage 1 Nr. 2 zu § 28 Barrierefreiheitsstärkungsgesetz dürfen Behörden zur Marktüberwachung stichprobenartig auch rechtliche Informationsseiten – wie Datenschutzerklärungen, AGBs oder Impressum – auf Barrierefreiheit prüfen.
Die Folge: Wenn Ihre Datenschutzerklärung nicht barrierefrei ist, kann das zu Abmahnungen, Bußgeldern und der Untersagung der Dienstleistung führen. Barrierefreiheit umfasst also auch den Zugang zu Datenschutzinformationen.
Was bedeutet „barrierefrei“ im rechtlichen Sinne?
Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 BFSG gilt ein Angebot als barrierefrei, wenn es „für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar“ ist.
Dazu zählen Menschen mit:
- Seh- oder Hörbeeinträchtigungen
- motorischen Einschränkungen
- kognitiven oder psychischen Beeinträchtigungen
- Sprach- oder Lernschwierigkeiten
Die Anforderungen werden in der BFSG-Verordnung (BFSGV) sowie durch europäische Normen wie die EN 301 549 und die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG 2.2) konkretisiert.
Barrierefreiheit konkret: Die „Four Principles of Accessibility“
Gemäß § 12 Nr. 3 BFSGV müssen Webseiten und deren Inhalte vier Prinzipien folgen:
- Wahrnehmbarkeit: Inhalte müssen für alle Sinne erfassbar sein (z. B. auch für Screenreader).
- Bedienbarkeit: Die Website muss vollständig per Tastatur nutzbar sein.
- Verständlichkeit: Sprache, Navigation und Funktionen müssen intuitiv sein.
- Robustheit: Die Website muss auf verschiedenen Geräten und mit assistiven Technologien funktionieren.
Normen und Standards
Zur technischen Umsetzung empfiehlt sich die Orientierung an der harmonisierten Norm EN 301 549 sowie an den Vorgaben der WCAG 2.2, da diese als konform mit dem BFSG angesehen werden (§ 4 BFSG). Die Anforderungen gelten für Inhalte, die nach dem 28. Juni 2025 veröffentlicht oder aktualisiert werden.
So gestalten Sie Ihre Datenschutzerklärung barrierefrei
Sprache & Inhalt
- Verwenden Sie klare und einfache Sprache, wo möglich
- Satzlänge: idealerweise unter 20 Wörter
- Vermeiden Sie juristische Fachbegriffe oder erklären Sie diese
- Gliedern Sie Inhalte mit Zwischenüberschriften, Aufzählungen und kurzen Absätzen
- Optional: Bieten Sie eine Version in Leichter Sprache an
Typografie & Gestaltung
- Mindestschriftgröße: 16 px (besser 18 px)
- Schriftart: serifenlos (z. B. Open Sans, Helvetica, Arial)
- Zeilenlänge: maximal 80 Zeichen pro Zeile
- Zeilenabstand: mindestens 1,5-fach
- Kontraste: Verhältnis von mindestens 4,5:1 (z. B. schwarzer Text auf weißem Hintergrund)
- Keine rein kursiven oder unterstrichenen Texte
Struktur & Navigation
- Verwenden Sie ein Inhaltsverzeichnis mit Sprungmarken
- Arbeiten Sie mit HTML-Überschriften (H1, H2, H3…)
- Nutzen Sie Listen und Tabellen zur Darstellung komplexer Informationen
- Vermeiden Sie Blocktext ohne Absätze
Technische Umsetzung
- Tastaturbedienung muss für alle Interaktionen möglich sein
- Screenreader-Kompatibilität durch korrektes HTML (z. B. <section>, <nav>, <main>)
- Alternativtexte für Icons oder Bilder
- Stellen Sie sicher, dass Formulare korrekt beschriftet sind (z. B. mit aria-label)
- Stellen Sie sicher, dass Responsivität auf Mobilgeräten gewährleistet ist
Erweiterte Funktionen (optional)
- Vorlesefunktion (z. B. Text-to-Speech)
- Gebärdensprachvideo mit Kurzzusammenfassung
- Barrierefreies PDF als Download-Alternative
- Audio-Version der Erklärung zum Abspielen
Datenschutz trifft Barrierefreiheit: Zwei Rechtsbereiche, ein Ziel
Bereits Art. 12 DSGVO verlangt, dass Informationen „in präziser, transparenter, verständlicher und leicht zugänglicher Form“ bereitzustellen sind.
Datenschutzinformationen müssen auch für besonders schutzbedürftige Gruppen wie Menschen mit Behinderungen zugänglich gemacht werden. Das BFSG konkretisiert dieses Prinzip nun erstmals verbindlich.
Daher gilt: Die Umsetzung barrierefreier Datenschutzerklärungen ist nicht nur eine neue Pflicht nach BFSG, sondern auch eine konsequente Umsetzung der DSGVO-Grundsätze.
Was passiert bei Verstößen gegen das BFSG und DSGVO ?
Wenn Ihre Datenschutzerklärung nicht barrierefrei ist, drohen rechtliche Konsequenzen:
- Marktüberwachungsbehörde kann Korrekturen fordern (§ 29 BFSG)
- Wird die Frist versäumt, kann die Dienstleistung untersagt werden (§ 30 BFSG)
- Es droht ein Bußgeld von bis zu 100.000 € (§ 37 BFSG)
- Auch Wettbewerbsverstöße nach § 3a UWG sind denkbar (Abmahnrisiko)
Diese Risiken können durch eine rechtzeitige und dokumentierte Umsetzung der Barrierefreiheitsanforderungen vermieden werden. Auch Ihr Datenschutzbeauftragter sollte bei der Barrierefreiheit und Datenschutz aktiv eingebunden sein.
Unterstützung durch externe Datenschutzbeauftragte
Als externer Datenschutzbeauftragter unterstützen wir Unternehmen bei der Umsetzung der Anforderungen aus dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz und der DSGVO. Unsere Leistungen umfassen u. a.:
- Prüfung und Anpassung Ihrer Datenschutzerklärung
- Beratung zur technischen Barrierefreiheit
- rechtliche Absicherung gegenüber Aufsichtsbehörden
- fortlaufende Betreuung und Schulung
Barrierefreiheit und Datenschutz sind nicht nur gesetzliche Anforderungen, sondern auch ein Zeichen für Nutzerfreundlichkeit und gesellschaftliche Verantwortung. Für ein unverbindliches Erstgespräch stehen wir gerne zur Verfügung.
FAQ Datenschutz und Barrierefreiheit
Das BFSG ist ein deutsches Gesetz, das die EU-Richtlinie 2019/882 (European Accessibility Act) umsetzt. Es verpflichtet private Unternehmen, ihre digitalen Dienstleistungen – darunter auch Webseiten – barrierefrei zu gestalten.
Die Anforderungen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes gelten ab dem 28. Juni 2025 für neue Dienstleistungen. Für vor dem Stichtag geschlossene Verträge gilt eine Übergangsfrist bis maximal 27. Juni 2030.
Alle Unternehmen, die digitale Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr anbieten – z. B. über Websites oder Apps. Ausgenommen sind nur Kleinstunternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten und max. 2 Mio. € Jahresumsatz oder Bilanzsumme.
Nein, Unternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz oder einer Bilanzsumme unter 2 Millionen Euro sind von der Verpflichtung ausgenommen.
Ja. Die Barrierefreiheitsanforderungen gelten nicht nur für Behörden, sondern auch für viele privatwirtschaftliche Anbieter, sofern sie digitale Produkte oder Dienstleistungen für Verbraucher anbieten.
Datenschutzerklärungen sind Teil des digitalen Dienstleistungsangebots. Laut BFSG und DSGVO müssen auch rechtliche Informationen barrierefrei zugänglich, verständlich und nutzbar sein.
Ja. Wenn über Ihre Website Dienstleistungen für Verbraucher angeboten oder gebucht werden können, fällt Ihre Website unter das BFSG – inklusive der Pflicht zur barrierefreien Datenschutzerklärung.
Barrierefreiheit bedeutet, dass auch Menschen mit Einschränkungen (z. B. Seh-, Hör- oder kognitive Beeinträchtigungen) Datenschutzerklärungen leicht finden, verstehen und nutzen können – ohne fremde Hilfe.
Bei Nichtbeachtung drohen Bußgelder bis zu 100.000 € sowie Untersagung der Dienstleistung durch die Marktüberwachungsbehörde. Auch Abmahnungen von Mitbewerbern wegen Verstoßes gegen das UWG sind möglich.
Ja. Die DSGVO fordert transparente und leicht zugängliche Informationen, das BFSG konkretisiert dies technisch. Eine barrierefreie Datenschutzerklärung erfüllt beide Gesetze.
Nutzen Sie klare Sprache, logische Gliederung, ausreichende Schriftgröße, hohe Kontraste und stellen Sie sicher, dass alle Inhalte tastatur- und screenreader-freundlich sind. Optional: Leichte Sprache oder Vorlesefunktion für eine optimale Barrierefreiheit und Datenschutz
Ein externer oder interner Datenschutzbeauftragter sollte auf die Anforderungen nach BFSG hinweisen und mitgestalten
Ja, sofern Sie Ihre Datenschutzerklärung als PDF bereitstellen, muss dieses PDF barrierefrei nach PDF/UA-Standard gestaltet sein.
Die EN 301 549 und die WCAG 2.2 (Web Content Accessibility Guidelines) definieren die technischen Anforderungen. Diese Standards gelten auch für Inhalte wie die Datenschutzerklärung.
Das ist nicht verpflichtend, aber empfohlen. Eine Version in Leichter Sprache unterstützt die Umsetzung von Barrierefreiheit und kann auch datenschutzrechtlich sinnvoll sein – gerade bei sensiblen Zielgruppen.
Webseiten müssen bedienbar, wahrnehmbar, verständlich und robust sein. Für die Datenschutzerklärung heißt das u. a. strukturierte HTML, alternative Bedienformen, hohe Kontraste und Kompatibilität mit Assistenzsoftware.
Sie sollten dokumentieren, wie Sie die Barrierefreiheit der Datenschutzerklärung umgesetzt haben. Diese Dokumentation kann Teil Ihres DSGVO-Verzeichnisses der Verarbeitungstätigkeiten sein.
Die Marktüberwachungsbehörden der Länder kontrollieren stichprobenartig Webseiten – einschließlich Datenschutzerklärungen – auf Barrierefreiheit gemäß BFSG.
Ein Datenschutzbeauftragter kann beurteilen, ob die Datenschutzerklärung inhaltlich DSGVO-konform ist und die notwendigen Anforderungen an barrierefreie Kommunikation nach dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz erfüllt.
Ja. Unternehmen haften bei Nichteinhaltung des Barrierefreiheitsstärkungsgesetz , insbesondere bei Verstößen gegen § 14 BFSG. Zudem können zivilrechtliche Ansprüche oder Abmahnungen drohen.
Prüfen Sie Ihre Website auf Barrierefreiheit, überarbeiten Sie die Datenschutzerklärung sprachlich und technisch, dokumentieren Sie die Änderungen – und ziehen Sie bei Bedarf einen Datenschutzbeauftragten oder eine Fachberatung hinzu.
Ja, wenn der Verkauf oder ein vergleichbarer Dienst unter Ihrer Marke angeboten wird, liegt die rechtliche Verantwortung für die Barrierefreiheit bei Ihnen – unabhängig davon, ob die technische Umsetzung durch einen Dienstleister erfolgt.
Ja, wenn der Nutzer über Ihre Hauptseite auf einen barrierepflichtigen Dienst (z. B. Shop) zugreift, muss auch der Zugangspfad barrierefrei gestaltet sein – zum Beispiel Navigation, Verlinkung und erklärende Inhalte.
Alle Funktionen, die Nutzer benötigen, um Informationen zu erhalten, Buchungen durchzuführen oder Käufe abzuschließen. Dazu gehören z. B. Formulare, Buttons, Texte, Kontraste, Tastaturnavigation und Alternativtexte für Bilder.